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Essays



H. A. Sigg: Eros und Fluss
by Fritz Billeter | english


So lautet die Anekdote: Hermann Alfred Sigg malte für die Swissair einige Bilder, die er sich zum Teil mit Freiflügen im Cockpit bezahlen liess. Es zog ihn besonders nach Ostasien, und hier fesselte ihn immer wieder der Ausblick auf Flüsse, die sich durch weite Ebene schlängelten. Stets wiederkehrendes Motiv oder nicht weiter hinterfragbare Form- struktur? Eines prägt sich dem Betrachter sofort ein: Siggs Fluss-Bilder sind mehr als ein blosser impressionistischer Landschafts- eindruck. Dieser Eindruck hat vielmehr ein tief verwahrtes inneres Bild in ihm geweckt, sein «inneres Asien», das von nun an zur gestaltung drängt.

Die Flussform erscheint in jedem seiner gemälde wie neu, unverbraucht, «nachhaltig» würde man im ökologischen Jargon sagen. Unerschöpflich variiert sie der Künstler seit 1968 bis heute. Sie kann sich zum fernöst- lichen Schriftzeichens wandeln, sie blitzt
auf wie ein Peitschenhieb, sie glänzt filigran wie geschmeide und sie windet sich nicht selten als grüne Schlange durch ein Mosaik von Rechteckflächen, mit Vorzug olivgrün, ocker oder zimtfarbig, das an Äcker erinnert. Da wirkt wohl der Abglanz der Kindheit und Jugendzeit nach: Sigg ist auf dem Land, auf dem väterlichen Bauernhof gross ge- worden.

Hermann Sigg ist ein vielseitiger Künst- ler. Neben den Fluss-Bildern hat er ab 1973 eine Serie von ungegenständlichen Meeres- und Himmelsbildern entwickelt; von 1993 an hat er gemälde und Skulpturen mit be- tonter Mittelachse geschaffen. Den äusseren Anstoss dazu mochte eine Reise nach Tai- wan, Hongkong und China gegeben haben. Besondere Beachtung verdienen Siggs zahl-reiche Farbfenster für sakrale und profane Räume. Dabei wurde ein Höhepunkt mit den acht Fenstern für die protestantische Kirche in Fribourg erreicht. Eine nur einiger- massen tiefer gehende Würdigung aller dieser Aspekte von Siggs Schaffen würde hier zu weit führen. Dagegen möchte ich etwas hervor-heben, das meines Erachtens bis jetzt zu wenig berücksichtigt wurde:
die Rolle der Erotik in seinem Werk.

Auffällig ist, dass die Schweizer Künstler in Siggs zeitlichem Umfeld wohl Frauen- akte darstellten, aber eigentlich nie um deren Schönheit zu preisen. «La belle du Dézalay» von René Auberjonois beispielsweise ist alles andere als «belle», sie hat einen Zug ins groteske; die Akte von Max Kämpf haben etwas Frierendes und Ausgesetztes. Sigg je- doch feiert den Körper der Frau (in den Lithografien zum «Hohen Lied von Salomo» auch den des Mannes). Dessen Sinnlich-keit ist unverkrampft, aber nicht aufreizend. Vielleicht umschreibt sich die Schönheit der Frau, wie Sigg sie zeigt, am besten als An- mut, als Aussöhnung zwischen Sinnlichkeit und geist. Doch ist Siggs Erotik keineswegs an die Figur gebunden. in seinen Fluss-Land- schaften legen Buchten und Küstenstriche die Assoziation zu weiblichen Formen nahe.

Allen Werken von Hermann Sigg (auch den erotischen) ist Stille eigen. ihm selbst ist sie ein höchstes gut. Wiederholt hat er sich mir gegenüber in diesem Sinn geäussert:
«Mehr möchte ich nicht erreichen, als dass die Leute vor meinen Bildern ruhig werden.»




Fritz Billeter Gebohren 1929 in Zürich; Schulen und Universität in Basel; Rückkehr nach Zürich; Lehrer an verschiedenen Gymnasien; 1971 bis 1995 Kulturredaktor am Tages-Anzeiger; seither freier Publizist. Zahlreiche Bücher über Kunst: über Monografien und grundsätzliche Themen.

Letzte wichtige Veröffentlichung: Fritz Billeter et al. "68, Zürich steht Kopf, Rebellon, Verweigerung Utopie", hrsg. Fritz Billeter, Peter Killer, Verlag Scheidegger und Spiess, Zürich, 2008

 

 

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